Industrieerbe-Tourismus

Industrielles Erbe als touristisches Erlebnis

Das industrielle Erbe ist ein Teil unseres kulturellen Erbes, es zeugt vom Fortschritt der industriellen Technologien, den Veränderungen der Arbeitsmethoden und -umstände und hilft die Entwicklung und Geschichte der Gesellschaft besser zu verstehen. Das älteste erhaltene industrielle Erbe in Estland stammt schon aus dem 18. Jahrhundert, als Estland unter Einfluss des Russischen Kaiserreiches standen und die Großindustrie und der Landbesitz mit besonderen Rechten in den Händen der deutsch-baltischen Aristokratie lag. 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten die Menschen anfangen sich frei zu bewegen. Die Städte und die Industrie entfalteten sich schnell. Aufgrund ihrer vorteilhaften Lage entstan- den in Estland und Lettland riesige, auf dem russischen Markt ausgerichtete industrielle Betriebe. Zuerst kamen Textil- und Papiermanufakturen auf, danach Brauereien und Brennweinbrauereien. Am Ende des Jahrhunderts wurden die Manufakturen durch effizientere, mit Dampf betriebene Fabriken ergänzt, es bildeten sich industrielle Bereiche wie u. a. Maschinenbau und Metallindustrie heraus. 

Die Entwicklung der Industrie in Estland förderte die in den 1860er und 1870er Jahren erbauten Eisenbahnstreck- en, die eine Verbindung zwischen den örtlichen Häfen und Russland bildeten. Neben den dampfbetriebenen Fabriken und Eisenbahnen wurden Wassertürme gebaut, die die Dampfmaschinen und Lokomotiven mit Wasser versorgten. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Wassertürme auch in Städten und auf Landgütern aufgestellt, um diese mit Trinkwasser und Löschwasser zu versorgen.

An der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert wurden an der Küste Estlands viele neue Leuchttürme gebaut. Neben gemauerten Leuchttürmen entstanden auch schlanke Leuchttürme aus Metall von englisch-französischer Herkunft, die vor Ort errichtet wurden und in denen das damals modernste mit Petroleum betriebene Lichtsystem verwendet wurde.

Landbesitz, ein gutes Bildungsniveau und handwerkliche Fertigkeiten regten auch den Unternehmungsgeist und das nationale Selbstbewusstsein der einheimischen Bewohner, es entstanden verschiedene kleine Unternehmen wie Mühlen, Kalköfen und Teerbrennereien.
Nach dem Ersten Weltkrieg erlangten Estland ihre Unabhängigkeit, und die gebildeten und tatkräftigen Einheimischen wurden zur treibenden Kraft des wirtschaftlichen Lebens. Der riesige Markt Russlands ging verloren. Anpassen konnten sich einzig die Textil- und Zellstoffindustrie, und anstelle der großen Fabriken entstanden viele kleinere Produktionsbetriebe. Auf Grundlage einer starken Landwirtschaft entwickelte sich die Lebensmittelindustrie, die eine wichtige Rolle beim Export spielte.

In Estland und Lettland kann man auch eindrucksvolles industrielles Erbe aus der Sowjetzeit finden.
Der Industrieerbe-Tourismus ist im Aufwind und ist eine gute Chance, um alte industri- elle Gebäude und Technologien zu bewahren und sich mit den Fertigkeiten vertraut zu machen, die für Anwendung nötig waren.

 
Industrieerbe-Tour in Westestland
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Die TOP 10 Industrieperlen

Die TOP Industrieperlen in Westestland

Langes Haus – Museum der Tuchfabrik von Kärdla und das ehemalige Direktorenhaus
Kärdla, Hiiumaa, Estland
59°0’15″N 22°44’47″O 

Das Zentrum von Hiiumaa – Kärdla -verdankt seinen Namen einem kleinenschwedischen Dorf. Zu einer Stadt wurde es dank der Tuchfabrik, die hier 1829 vonden Baronen Ungern-Sternberg gebautwurde. Zugleich war sie eine der ersten großen Textilunternehmen im Gebiet Estlands und spielte noch am Anfang des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Die Fabrik wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Das Fabrikdorf war sorgfältig geplant, dasVorbild stammte aus England.

1844 begann man den Fabrikarbeitern Grundstücke zuzuteilen und Kredite für den Bau von Wohnhäusern zu vergeben. Am Fabrikplatz (einstiger Fabrikhof) befind-en sich die einstmaligen Meisterhäuser: einstöckige Holzgebäude mit großen Gärten und ein über 60 m langes Holzgebäude, welches seinerzeit das Wohnhaus für die Direktoren war. Jetzt befindet sich hier dasMuseum von Hiiumaa, die Dauerausstellungbietet einen Einblick in das Leben von den Herren und Arbeitern der Tuchfabrik.

Im Museum kann man seine Kräfte testen, in dem man auf Fragen über das Leben und die Geschichte der Fabrik antwortet oder in dem man für einen Tuchfabrikarbeiter benötigten Fertigkeiten und Kenntnisse prüft, es werden sogar Fertigkeiten der Teamarbeit gebraucht.

Wolle aus Hiiumaa
Vaemla, Hiiumaa, Estland
58°49’53″N 22°49’38″O 

Auf der Insel Hiiumaa, in Richtung Käinavom Hafen Heltermaa aus kommend, liegtinmitten der mit Wacholder zugewachsenen Weide die Wollfabrik von Hiiumaa bzw. das Familienunternehmen “Hiiu Vill”. Für die alltägliche Arbeit des Unternehmens werden alte Maschinengenutzt, ein Teil davon stammt aus dem19. Jahrhundert. Erklärungen kann ein Meister geben, der die Maschinen bis ins letzte Detail kennt. Die ursprünglich mit Dampf betriebenen Maschinen werden jetzt mit Elektromotoren aus der Sowjet- zeit angetrieben. In der Wollfabrik kann man den ganzen Verarbeitungsprozess der Wolle sehen:den “Wolf”, dessen Zähne die Wolle bauschig machen; die Kämmmaschine, die eine weiche Wollvorlage bildet; die Garnmaschine, die die Wollvorlage in Faden teilt; die Spinnmaschine, die einen Faden spinnt; die Zwirnmaschine, die den Garn dick und gleichmäßig macht; Garnwinde, die den Garn zu einer Dockespinnt. Im Fabrikshop kann man Kleidung undWolle aus der Wollfabrik von Hiiumaa kaufen, im Sommer ist hier ein Caféeingerichtet. Die Wollproduktionsstätte befindet sich in dem 1841 gebauten Gebäude der Heuscheune des Landgutes von Vaemla. Die alten Maschinen wurden in den 1950er Jahren vom estnischen Festland hierher gebracht.

Museum der Tuchfabrik von Sindi

Sindi, Pärnumaa, Estland
58°24’26″N 24°39’14″O 

In der Stadt Sindi bei Pärnu fesselt den Blick eine prächtige Allee mit Häusern, die für die Meister der Tuchfabrik vorgesehen waren. In einem davon befindet sich das Museum von Sindi, welches die Geschichte der Fabrik, das Leben der Fabrikarbeiter und die Geschichte der Stadt Sindi erzählt. Die Tuchfabrik von Sindi war eine der ersten wirklich mechanisierten großen Produktionsstätte. Sie wurde 1833 von JohannChristoph Wöhrmann, einem Kaufmann ausRīga, gegründet. Durch die Verlegung der Fabrik von Polen ins Russische Kaiser-reich wollte man den Zoll umgehen.

In den Bau des Fabrikkomplexes wurde eine enorme Geldsumme investiert, ein großer Teil davon war staatliche Beihilfe. Zum Bau der Produktionsgebäude wurden 3,4 Millionen Ziegel benötigt. Deshalb wurde vor Baubeginn eine örtliche Ziegel-brennerei mit 8 Öfen errichtet. Aus dieser Zeit ist der Stausee von Sindi erhaltengeblieben.

Estnisches Torfmuseum in Tootsi
Tootsi, Pärnumaa, Estland
58°35’17.5″N 24°47’06.1″O 

Von der Landstraße Pärnu – Rakvere führtein Weg zum Dorf Tootsi und derBrikettabrik, der sich entlang der Eisenbahn windet. Mit der 1938 gegrün-deten Fabrik macht man sich schon vor dem Ankommen ins Dorf bekannt, welch-es sich um die Fabrik gebildet hat. In den großzügigen Räumen der Brikettabrik von Tootsi befindet sichheutzutage ein Torfmuseum. Darin kannman sich mit der Fabrik und deren Ausstattung sowie Torf und dessen Verarbeitung vertraut machen. Zu den Torffeldern und zum Tootsi Moor führt von der Vorderseite des Gebäudes eine Schmalspurbahn, über die ein alter für die Torfarbeiter vorgesehener Zug fährt. Man kann auch eine Fahrt mit derDraisine unternehmen.

Vor mehr als 1000 Jahren begann man Torf für Heizzwecke zu nutzen. Am Ende des 18. Jahrhunderts bildeten sich Torfproduktionsstätten in Estland und Lettland. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es auf den Landgüter schon viele Torfstiche. Die mechanisierte Torfgewinnung begann z. B. im Jahr 1861 in der Tuchfabrik von Sindi.

Die Errichtung einer Brikettproduktionsstätte auf staatlicher Ebene begann in Estland 1936. 1937 fasste man den Entschluss, die Brikettabrik von Pööraverezu bauen. Im Laufe der Bauarbeiten wurdesie nach einem unweit gelegenen Bahnhof in Brikettabrik von Tootsi umbenannt. Selbst im Winter arbeiteten hier bis zu200 Menschen; im Jahr 1938 war ein Teil des Torfmoores trockengelegt und durch die Büsche wurde auf instabilem Bodenein Eisenbahndamm bis zum Bahnhof von Tootsi gebaut.

Die Brikettabrik von Tootsi war seinerzeiteine der modernsten in Estland, die Brikettherstellung begann 1939

Kalkpark von Lümanda
Lümanda, Saaremaa, Estland
58°17’36″N 22°1’17″O 

Der Kalkpark von Lümanda liegt am östlichen Ende von Saaremaa. Entlang des Erlebnispfades mit mehr als zehn alten Kalkofen, alten und neuen Kalksteinbrüchen und Kalklöschwannen kann man sich in allen Einzelheiten mit dem chemischen Prozess vertraut machen, durch welchen Kalk aus von Kalkstein gewonnen wird, und wie man aus Kalkmörtel oder Kalkfarbe, die auf einer Wand aufgetragen ist, von neuem Kalkstein gewinnen kann.

Im Kalkpark ist es möglich, auf dem Wanderpfad spazieren zu gehen, der einen Bogen um die Kalkofen macht und an dem Informationstafeln mit Erläuterungen in verschiedenen Sprachen aufgestellt sind. Bei Rückkehr in die Kalkwerkstatt gibt es die Möglichkeit, einen Film anzusehen und an Experimenten mit Kalk teilzunehmen, wie z. B. durch das Aufschäumen von klarem Wasser Dolomit herzustellen oder einen kalten Stein mit kaltem Wasser zu kochen.
Die nahezu hundert Jahre alten Kalköfen sind gereinigt, hergerichtet und vorbereit- et. Jeder Ofen ist bereit, um den nächsten Schritt in der jahrhundertealten Technik der Kalkgewinnung aufzuzeigen. Die Kalköfen gibt es in verschieden Formen und Größen – jeder erinnert an seinen Besitzer. Sie sind zu einer Zeit entstanden, als die Kalkherstellung und der Handel profitabel waren. Auf dem kalkreichen Boden hat jeder Hof seinen eigenen Kalkofen aufgestellt. Dazu wurden falls notwendig mit den Nachbarn Grundstücke an der Küste getauscht.

Der Kalklöschprozess dauert 50-75 Stunden bei einer Tempera- tur von 1100-1300 Grad. In einen Kalkofen passen fast 30 Tonnen Stein. Nach dem Brennen kühlt der Kalkstein zwei bis drei Tage. Danach wird der ungelöschte Kalk zu einer Wanne gebracht, wo der chemisch aktive Stein mit Wasser vermischt wird. Durch Verwendung von Kalkmörtel, reagiert Calciumhydroxid bzw. gelöschter Kalk mit dem Kohlendioxid in der Luft und bildet wieder die Grundkomponente von Kalkstein. 

Im Themenpark finden sich Plätze für Picknicks, Lagerfeuer- und Grillplätze, im Hauptgebäude kann man verschiedene Veranstaltungen organisieren. 

Estnische Museums-Eisenbahn in Lavassaare
Lavassaare, Pärnumaa, Estland
58°31’14″N 24°21’2″O 

Die estnische Museumseisenbahn ist in Lavassaare, 17 km von Pärnu entfernt inmitten eines Torfmoors beheimatet. Sie entstand dank unnachgiebiger Arbeit von Eisenbahnfreunden. Die Museumseisenbahn zeigt mehr als 80 verschiedene Schienenfahrzeuge, darunter fünf Dampflokomotiven und eine Reihe von technischen Geräten. Unter den Ausstel-lungsstücken finden sich auch funktionierende Dampflokomotiven und Draisinen. Eine Dampflokomotive verkehrt auch auf der Eisenbahnstrecke Gulbene-Alūksne.

Die funktionsbereiten Fahrzeuge sind im Depot (1924) ausgestellt. Im ehemaligen Wohnhaus der Torfproduktionsstätte sind Fotos, Gegenstände und Dokumente aus der Geschichte der Schmalspurbahn ausgestellt. Die spannendsten Ausstellungsstücke sind eine Fahrraddraisine, eine von Hand angetriebene Feuerlöschpumpe und Uniformen. Ein Abschnitt der Schmalspurbahn ist wieder-herstellt. Besucher können darauf mit alten Maschinen in das Torfmoor hineinfahren.

Der größte Abnehmer der Torfproduktion von Lavassaare war die Tuchfabrik von Sindi. Zwischen 1922 und 1924 baute das Nationale Zentralkomitee für Brennstoffe einen 28 km langen Schmalspurbahnabschnitt. Er führte vom Lavassaare Torfmoor über den Bahnhof Potsi zum rechten Ufer des Flusses Pärnu gegenüber der Tuchfabrik von Sindi. Heute ist von der Lavassaare Torfeisenbahn nur die eindrucksvolle Brücke über den Fluss Sauga erhalten geblieben und ein Schienennetz im Torfmoor. Einen Teil davon bildet die Museumseisenbahn von Lavassaare.

Eisenbahn- und Fernmeldemuseum in Haapsalu
Haapsalu, Läänemaa, Estland
58°56’17″N 23°31’56″O 

Das Eisenbahn- und Fernmeldemuseum befindet sich im Gebäude und Gelände des Bahnhofes Haapsalu, der mit Holzschnitzereien verziert und im Stile des Historismus gebaut ist. Es bietet eine Zeitreise in die Geschichte der Eisenbahn in Estland. Die Besucher werden von einem höflichen Bahnhofsvorsteher aus den 1930er begrüßt, und man kann einen Blick in die Poststelle des Bahnhofes werfen. Der Bahnhof hat einen ungewöhnlich langen überdachten Bahnsteig (213,6 m). Das nostalgische Bahnhofsgedränge und das Pfeifen der Dampflokomotive kann man durch einen Knopfdruck ganz modern wieder ins Leben rufen. Die Sammlung an Schienenfahrzeugen umfasst Dampf- und Diesellokomotiven, Waggons und Draisinen. Auf dem Gelände des Bahnhofes wurden ein Wasserturm, ein Depot, eine Drehscheibe und Wohn-häuser der Bahnarbeiter bewahrt.

Das Bahnhofsgebäude wurde gleichzeitig mit der Eisenbahnstrecke Keila-Haapsalu am Anfang des 20. Jahrhunderts nach einem Originalprojekt gebaut. Im Vergle-ich zu anderen Bahnhöfen war es pracht-voller, weil mit einem möglichen Besuch vom russischen Kaiser und seiner Familie gerechnet wurde. Im Bahnhof findet man den Kaiserpavillon und einen großen Raum für Empfänge im Sommer. Die Stadt ist ein von den russischen Kaisern geschätzter Sommerurlaubsort, und der Kaiser selbst habe die Bauidee unterstützt und geholfen, den Plan zu verwirklichen.

Der erste Personenzug traf 1904 in Haapsalu ein, der letzte erreichte die Stadt 1995.

Vom Museum aus kann man eine Erkund-ungsfahrt durch die Stadt mit dem ZugPeetrike unternehmen.

Wasserturm von Risti
Risti, Läänemaa, Estland
58°59’53,1″N 24°02’59,3″O

Der Wasserturm von Risti ist einer der Türme, die zur Versorgung der Eisenbahn bestimmt waren. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zusammen mit der Eisenbahnstrecke Haapsa-lu-Keil im Bahnhof Risti gebaut. Auf der Fernstraße nach Haapsalu weist das Hinweiss-child “Kuuditatute malestusmark” (Gedenktafel für die Unterdrückten) den Weg zum Turm und Gebäudekomplex des alten Bahnhofs, wie auch zur Gedenktafel für Menschen, die in Westestland unter Repressalien litten. Statt der Eisenbahn führt heute ein Fahrradweg nach Haapsalu, der auf dem alten Eisenbahndamm angelegt wurde.

Im Wasserturm gibt es eine Ausstellung, die über den Bahnhofskomplex und die Funktionsweise des Wasserturms informiert. Besucher können einen Blick in den Wasserturm werden. Erhalten geblieben darin sind der Wasserbehälter wie auch der Wasserzähler. Vom Turm aus überblickt man die Ortschaft Risti. Anhand eines Modelles vom Wasserturm wird beschrieben, wie Wasser aus dem Wasserturm in die Dampflokomotiven gepumpt wurde und wie der Wasserturm und das ganze System funktionierte.

Der Turm versorgte Dampflokomotiven mit Wasser. Dafür befindet sich im oberen Turmteil ein Behälter mit einem Volumen von 60 m3, der vom erweiterten Oberteil der Steinmauer gestützt wird. Mit einer in der Pumpstation aufgestellten Dampfpumpe wurde das Wasser in den Behälter gepumpt, der in einer Höhe von fast 15 m angebracht ist. Seine ursprüngliche Funktion – Dampflokomotiven mit Wasser zu versorgen – erfüllte der Wasserturm sogar bis 1970.

Mühlenberg von Angla
Angla, Saaremaa, Estland
58°31’49”N 22°41’52”O 

Auf Saaremaa gibt es einen ganzen Hügel mit Windmühlen, der bis heute sein einstmaliges Aussehen bewahrt hat. Rundherum war es der windigste Ort, weshalb hier die Windmühlendes Dorfes aufgestellt wurden. Der beeindruck-ende Windmühlenpark erregt schon vonWeitem Aufmerksamkeit. Mit Betreten derMühle wird der Blick von einer faszinierenden Vielfalt gefesselt – jede Mühle spiegelt ihren Besitzer und dessen Einfallsreichtum wider. 

Vier von den fünf noch erhalten geblieb-enen Mühlen sind für Saaremaa typische Bockwindmühlen. Sie wurden am Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang 20. Jahrhun-derts erbaut. In deren Mitte steht eine etwas höhere 1927 errichtete Holländer- windmühle, daneben liegt das Wohnhaus vom Müller. Im Sommer arbeitet in einer der Mühlen ein Müller und Mehl wird gemahlen. An den Windmühlen gibt esauch ein Kulturerbezentrum. Dort ist es möglich, eine Mahlzeit zu sich zu nehmen und sich mit den alten Methoden der Feldarbeit vertraut zu machen. Es wird Brot gebacken und man kann an Workshopsteilnehmen.

1925, als es in Angla 13 Höfe gab, standenauf der windigen Hügelspitze sogar neun Mühlen.
1880 – Bockwindmühle von Lause;
180..? – Bockwindmühle von Reinu;
1910 – Bockwindmühle von Viita;
1913 – Bockwindmühle von Vilidu;
1927 – Holländerwindmühle von Tedre Hof

Eemu Windmühle
Muhu, Saaremaa, Estland
58°34’56″N 23°9’57″O 

Direkt bevor man auf der größten Insel Estlands ankommt, ist am Straßenrand auf der Insel Muhu eine alte Bockwindmühle zusehen. Die Eemu Windmühle ist einetypische Bockwindmühle, in der man über den an der Windmühle befestigten und sich mitdrehenden Treppen zwei Stockwerke hinaufklettern und einen Blick auf dasdort stehende Mühlwerk werfen kann. Neben der Windmühle steht ein Handmahl-stein. Damit kann man versuchen, auf altmodische Art Mehl zu mahlen – wie vor der Zeit von Mühlen.

Mühle im Museum von Carl Robert Jakobson in Kurgja
Kurgja, Gemeinde Vändra, Pärnumaa, Estland
58°39’44″N 25°15’28″O 

Etwas mehr als zehn Kilometer von Vändra in Richtung Rakvere liegt am Ufer des Flusses Pärnu ein Bauernhofmuseum. Es ist eines der bekanntesten in Estland. Zum Hof gehört auch eine Getreidemühle und ein Sägewerk mit einem prächtigen Teich. Der unter denEsten wohlbekannte Literat, Tageszei- tungsredakteur und Volkslehrer C. R.Jakobson errichtete diese Mühle 1879. Diewiederhergestellte Mühle ist ein Teil desBauernhofmuseums in Kurgja.

Leuchtturm Kõpu
Kõpu, Hiiumaa, Estland
58°54’58″N 22°11’55″O

Der Leuchtturm Kõpu befindet sich im Westen von Estland, auf der Insel Hiiumaa, in der Ortschaft Mägipe auf dem Hochland auf der Halbinsel Kõpu. Der Leuchtturm Kõpu ist der älteste Leuchtturm im Baltikum, und es ist der drittälteste funktionierende Leuchtturm auf der Welt. Der weiße viereckige Koloss mit Stützp-feilern besitzt eine Galerie und einen roten Laternenraum.

Steigt man im Turm über die gehauenen und steilen Treppen bis oben hinauf, erschließt sich die erstaunliche Geschichte des alten Leuchtturms, der von der Entwick-lung der Schifffahrt, des Bauwesens und der Wissensschaft zeugt. Am Leuchtturm befindet sich ein schönes Café, ein Kinder-spielplatz und ein Souvenirshop.

Der Bau des riesigen Turmes auf der höchsten Selle in Hiiumaa begann 1504 auf Empfehlung des Stadtrats von Tallinn. Der Turm wurde gebaut, um hanseatischen Schiffen den Weg zu weisen und Sicherheit zu gewährleisten. Früher fuhren die Schiffe der Ostseeküste entlang, die Schiffsroute führte von den Ålandinseln entlang der Küste Finnlands. Doch später begannen die Handelsschiffe direkt über die Ostsee zu segeln. Das Hochland von Kõpu war der erste Orientierungspunkt, den die Seefahrer am Horizont bemerken sollten.

1649 wurde die obere Platform des Turmes nivelliert und an die Bedürfnisse des Leucht-feuers angepasst. Es wurde eine Feuerstelle aufgestellt, eine Außentreppe und eine Winde zum Heben von Brennmaterial wurde errichtet. Damit wurde der Turm zum Leuchtturm. Am Ende des Jahrhun-derts wurde im oberen Turmteil ein Raum für Wärter und Brennmaterial eingerichtet.

1810 übernahm die Kriegsflotte den Turm. In den südwestlichen Pfeiler wurden Treppen eingehauen, im oberen Turmteil zwei Räume übereinander eingerichtet und ein gläserner Laternenraum mit 12 Ecken gebaut, in welchem in drei Richtungen insgesamt 25 Öllampen mit Messingreflek-toren aufgestellt wurden.

Anfang des 20 Jahrhunderts erwarb man für den Leuchtturm in der Weltausstellung Paris einen neuen Laternenraum mit einer optischen Vorrichtung dioptrischer Art. Diese rotierte in einer Quecksilberwanne und leuchtete mittels einer Petroleum-lampe und einem Glühstumpf. Später wurde die Optik mehrmals modernisiert und der Leuchtturm an die Stromver-sorgung angeschlossen.

Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Turm mit einem Stahlbetonunterbau befestigt, um gegen Erdrutsche geschützt zu sein.

Leuchtturm Ristna
Ristna, Hiiumaa, Estland
58°56’24″N 22°3’19″O 

An der westlichen Spitze der Insel Hiiumaa liegt nicht weit vom Leuchtturm Kõpu entfernt der rot angestrichene Leuchtturm Ristna. Der Leuchtturm besteht aus zwei ineinander gesetzten Stahlzylindern, zwischen denen sich eine Wendeltreppe windet. Der Leuchtturm unterscheidet sich von anderen aufgrund seiner acht Schutzpfeiler aus profiliertem Metall und eines hervorstehenden Betriebsraums mit einem Durchmesser von 5 m am Ende des Turm. Darüber befindet sich der Laternenraum. Neben dem Leuchtturm steht eine kleine Imbissstube.

Der nahe gelegene Leuchtturm Kõpu wurde oft vom Nebel verdeckt. Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, an der Spitze der Halbinsel Kõpu einen neuen Leuchtturm zu bauen. Dieser hatte auch eine zusätzliche Aufgabe und signalisierte mit einem roten Blinkfeuer die Eisbewegungen, falls Eis auf der Schiffsroute im finnischen Meeresbusen die Schifffahrt behinderte. Während des Ersten Weltkrieges wurden die leichten Stützkonstruktionen des Leuchtturmes stark beschädigt und 1920 erhielt der Leuchturm einen Betonunterbau.

Die Leuchttürme aus einer Stahlkonstruktion waren mit deutlich weniger Aufwand und schneller aufstellbar als die massiven Gusseisenturme des Typs Gordon, da sie weniger Montageaufwand erforderten und Eisen als Baumaterial preiswerter war.

1884 wurde im Leuchtturm Ristna eine 20 Pud (328 Kilo) schwere Nebelglocke aufgestellt. Ein Jahr später stattete man die optische Vorrich-tung im Laternenraum mit einem Uhrmechanis-mus und Abdeckblenden aus, die unter dem Einfluss der Schwerkraft rotierten. Sie wurden eingesetzt, wenn es im finnischen Meeresbusen Treibeis gab. 1889 wurde nahe dem Leuchtturm ein Schuppen aus Eisenblech erbaut. Darin wurde die erste Dampfsirene Estlands installiert.

Leuchtturm Tahkuna
Tahkuna, Hiiumaa, Estland
59°5’29″N 22°35’10″O 

An der Nordspitze Hiiumaas auf der Halbinsel Tahkuna befindet sich Estlands höchster Turm aus Gusseisen. Der 43 Meter hohe weiße Turm, der mit seiner grünen Kuppel seinerzeit besonders modern war, wurde 1875 erbaut. Die Bauteile hierfür wurden aus Frankreich bestellt. In den verschiedenen Stockwerken des schlanken und charakteristisch karierten Leuchtturmes erwarten die Besucher Ausstellungen und Installationen, im Leuchtturm finden Theateraufführungen und Konzerte statt. In den Laternenraum und Galerie des Leuchtturmes gelangt man über eine elegante, typisch französische Wendel-treppe. Ein Pfad führt vom Leuchtturm entlang der Küste über einen sandigen Strand zu einem weiteren Objekt – den großen Stein von Tahkuna – von dort aus geht es weiter in einen alten Wald. Smarte Sitzbänke ermöglichen einen Blick in die Geschichte, in die hiesige Natur, in das Militärerbe und in die Schifffahrt. Am Fuße des Turmes gibt es ein Café und ein Souvenirshop.

Nach dem Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Sankt Petersburg und Paldiski, stieg die Bedeutung der hier liegenden Hafen an. Umso wichtiger wurden die Leuchttürme angesehen, die bessere Navigationsbedingungen im finnischem Meerbusen sicherstellten. Gleichzeitig mit dem Leuchtturm Tahkuna begannen auch die Planungen für den Leucht-turm Ristna – beide Leuchttürme sollten zusammen die Untiefe von Hiiumaa markieren.

Das Karomuster des Leuchtturmes ist zurückzuführen auf die Gusseisen-Bauweise, bei der die speziellen Formteile an den Fugenstellen überlappen, damit kein Wasser in das Innere der Konstruktion gelangt. Türme aus Gusseisen brauchten keine Stützpfeiler und sie waren selbsttragend.

Der englische Ingenieur Alexander Gordon entwickelte Leuchttürme, die mit Einzelteilen aus Gusseisen gefertigt wurden. Sein Bauverfahren für den 1841 entworfenen Leuchtturm in Jamaika wurde schnell bekannt.

Der Leuchtturm von Tahkuna ist gut erhalten. Nur die im Ersten Weltkrieg beschädigten gläsernen Prismen der dioptrischen Lichtanla-gen wurden 1920 durch optische Linsen ersetzt, die aus England bestellt wurden.

Das Anwesen vom Leuchtturm Tahkuna gibt eine gute Vorstellung davon, wie damals das Zusammenleben in einem Leuchtturm an der Küste funktionierte. Von den Nebengebäuden hat sich eine Sauna aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein Lagerhaus für Petroleum aus Stein, sowie ein Wohnhaus aus Holz und ein Generatorgebäude aus dem 20. Jahrhun-dert bewahrt.

Leuchtturm Kihnu
Kihnu, Pärnumaa, Estland
58°5’51″N 23°58’20″O

An der Südspitze der Insel Kihnu befindet sich ein schlanker, 1864 in England hergestellter Leuchtturm aus Gusseisen, der vor Ort errichtet wurde. In der Innenseite des Turms gibt es Wendel-treppen. Besucher können über diese zur Galerie hinaufsteigen und einen Blick in den Laternenraum werfen, wie auch eine unvergessliche Aussicht auf das offene Meer genießen. Im alten Schuppen für Petroleum, der neben dem Leuchtturm steht und 1882 gebaut wurde, als man damit begann, Petroleum zur Beheizung des Leuchtturmes zu nutzen, kann man Handwerkskunst von Kihnu und auf der Insel hergestellte Leckereien kaufen.

Dem Bau des Leuchtturmes Kihnu liegt das Interesse des Russischen Kaiserreichs und lettschen und estnischen Handelstreibenden zugrunde, die die Handelsroute zwischen den estnischen Inseln markieren wollten. Der Bau eines Leuchtturmes war schon 1833 geplant. Doch verwirklicht wurde das Vorhaben erst 30 Jahre später, nachdem sich die Technologien weiterentwickelten und beim Bau von Leuchttürmen das vom Gordon erfundene System der Einzelteile aus Gusseisen genutzt wurde. Im Vergleich zum Bau eines gemauerten Leuchtturmes war es eine schnellere und preiswertere Methode. Aus England wurde für den Leuchtturm eine Lichtanlage mit Fresnel-Linsen bestellt. Der Leuchtturm hat sein ursprüngliches Aussehen behalten, nur die Lichtanlagen sind modernisiert worden.

Der schlanke Leuchtturm spielte auch eine wichtige Rolle im Leben der Inselbewohner. Denn vor der Verlegung eines Telefonkabels, war es das einzige Mittel zur Kommunikation mit dem Festland

Leuchtturm Vormsi
Vormsi, Läänemaa, Estland
59°1’29″N 23°7’3″O

Auf der Westküste der Insel Vormsi am Kap Saxby befindet sich ein Leuchtturm aus Gusseisen, der den Verkehr im finnischen Meeresbusen und Hari Meerenge regelt. 1864 wurden sowohl auf der Insel Kihnu als auch der Insel Vormsi Leichttürme aufgestellt, die aus gusseisernen Einzelteilen zusammengesetzt wurden. Doch der 17 m hohe Leuchtturm auf der Insel Vormsi erwies sich wegen häufigem Nebel und wachsendem Wald als zu niedrig. Eine sieben Meter höhere Kopie wurde in der Fabrik von Liepāja bestellt, später wurde der alte Leuchtturm auf die Insel Vaindloo gebracht. Ungeachtet der Kriege ist der Leuchtturmkomplex erhalten geblieben. Bewahrt sind ein Wohnhaus, Lagerhaus für Petroleum und Brunnen aus 1864.

Leuchtturm Sõrve
Sõrve, Saaremaa, Estland
57°54’35″N 22°3’19″O

Der Leuchtturm Sõrve befindet sich auf der Insel Saaremaa am südlichen Ende des Kaps Sõrve. Dieser Sandstreifen, der weit im Meer hinein ragt, scheint das Ende der Welt zu sein, dahinter gibt es nur die Weite des Meeres. Dieser Leuchtturm ist einer der wichtigsten an der Westküste von Estland. Er hilft Seefahrern sich in der von Untiefen eingeschlossenen Irbenstraße zu orientieren. Der 52 Meter hohe schwarzweiß angestrichene Leuchtturm wurde 1960 aus Stahlbeton erbaut und ist einer der höchsten Leuchttürme an der Ostsee.

Im Leuchtturm und nebenliegenden Besucherzentrum erhält man einen Überblick über die wichtigsten Leuchttürme in Estland und erfährt über die Schifffahrtsgeschichte in der Region. Die 248 Treppenstufen führen zu einer Plattorm, die sich auf 45 m Höhe befindet und von wo aus bei klarem Wetter auch Lettland zu sehen ist!

Es ist bekannt, dass es hier schon 1646 den ersten Feuerträger gab, und zwar einen metallischen Feuerkorb, der am Ende eines hölzernen Hebels befestigt war und mit Hilfe eines Gegengewichts angehoben wurde. Um den Korb zu füllen, ließ man den Hebelarm runter, und wenn das Brennholz brannte, hob man ihn wieder hoch. 1650 wurde die Konstruktion von einem gemauerten Leuchtturm ersetzt.

Während der Weltkriege wurde der Leucht-turm zerstört und 1960 wurde anstelle provisorischer Leuchttürme ein schlanker Leuchtturm gebaut, der zu den höchsten Stahlbetontürmen in Estland zählt. Im Laternenraum stellte man eine rotierende Lichtanlage auf, die durch einen Dieselgenerator und Batterien angetrieben wurde. Das Leuchtteuer des Leuchtturmes liegt 52 m über den Meeresspiegel und die Sichtweite beträgt 19 Meilen.

Foto von Olev Mihkelmaa

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